Stacheliger Besuch
Neben unseren Hofkatzen, die sich überall einquartiert haben, erhält das Tierdörfli all abendlich stacheligen Besuch. Dieser lebt wild um das Tierheim, teils auch direkt auf dem Gelände des Tierdörfli. Dann allerdings über den Tag gut versteckt und zurückgezogen. An diversen Stellen haben unsere Besucher die Möglichkeit, unser Gelände bequem zu betreten und es auch wieder nach Belieben zu verlassen.
In den späteren Abendstunden, besonders zur Rush Hour zu 22 Uhr, lassen sie sich gerne beobachten. Doch dafür müssen erst einige Bedingungen erfüllt sein.
Zum einen muss die Luft getränkt sein vom Duft des Katzenfutters. Am liebsten wird das Nassfutter gefressen. Zum Glück sind die laufenden Nadelkissen aber nicht so wählerisch wie unsere Samtpfoten. Ihnen ist es egal, ob es Mousse, Fleisch mit Sauce oder mit Gelée, mit oder ohne Gemüsestückchen ist… Es wird gefressen was unter die Schnauze kommt. Ebenso finden sie an allen Futterstellen eine Trockenfuttermischung, sowie eine frische Schale Wasser vor.
Zum anderen muss das Fussvolk (was in diesem Falle wir Tierpfleger darstellen) abgenommen haben. Gegen den späten Nachmittag stehen die ersten schon ungeduldig in den Startlöchern. Wer absolut nicht mehr warten kann, bis nur noch Frau Klein auf dem Hof ist, schleicht dann von einem Blumentopf zum nächsten. Kommt jemand vom Feierabendverkehr zu nah an sein Versteck, wird, zack, die hauseigene Panzerung aktiviert. Sicher eingerollt oder auch nur das Schnäuzchen eingezogen, wird nach einer angemessenen Wartezeit, in der der mögliche Feind die Gelegenheit hatte, sich vom Acker zu machen, vorsichtig zwischen den Stacheln hervorgelugt. Ist die Luft rein, geht es, immer gut versteckt, weiter zum angepeilten Ziel. Irgendwann muss aber mal ein Gang ohne Versteckmöglichkeiten gequert und somit die sichere Deckung verlassen werden. Dann gilt es schnell zu sein. Als Tierpfleger muss man deswegen besonders die Augen aufhalten, möchte man eine beidseitige schmerzhafte Begegnung vermeiden.
Senkt sich die Sonne immer mehr gen Horizont, kommen schliesslich auch die restlichen Stacheltiere hervor.
Sieht man sie im ersten Moment nicht direkt (die Futterplätze sind extra etwas versteckt gelegen), kann man sie allemal wunderbar hören.
Klangen durch den Tag noch die kräftigen Stimmen der Hunde, Hähne, Enten, Krähen und (besonders) des Esels über den Hof, kann man nun eine Symphonie aus vielen wohligen Schmatzgeräuschen vernehmen.
Zwischendurch könnte man meinen, einer der gierigen Schleckermäuler hätte sich verschluckt. Doch spielt man Mäuschen, findet man eine ganz andere Szene vor. Dann hat man die Möglichkeit, den stacheligen Besuchern dabei zu zusehen, wie sie hartnäckig ihre Beute und ihr Revier gegen Artgenossen verteidigen. Es wurde aber auch schon beobachtet, wie fünf an der Zahl brav in Reih und Glied anstanden, um sich ein Schluck vom kühlen Nass zu genehmigen.
Sind die Bäuchlein gefüllt, machen sich die abendlichen Besucher wieder auf ihren Weg. Muss man dann einmal schnell vor einem Artgenossen oder einer Katze wegrennen, wird einfach vom tiefergelegten in den sportlichen Modus gewechselt, sodass man mit den dünnen, langen Beinchen schnellstmöglich das Weite suchen kann.
Haben Sie mittlerweile erkannt, um welche kleinen Säuger sich diese Geschichte dreht? Bestimmt!
Und damit sich die wilden Igel vollends um unser Tierdörfli wohl fühlen, haben wir ihnen zusätzlich noch im Gebüsch und gut versteckt, kleine Hütten als Schlafplatz aufgestellt, welche durch Tannenäste getarnt sind. Zudem bieten die Äste im Herbst und Winter hin eine natürliche Isolation. So kann man seinen Winterschlaf sicher und geschützt geniessen.
Wir freuen uns jeden Abend aufs Neue, unsere knapp zehn wildlebenden Igel im Tierdörfli zu begrüssen.
Isabell Papenbrock